Parental responsibility in a cross-border context

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Nach nicht erfolgter Rückgabe

 

Die Situation stellt sich natürlich anders dar, wenn das spanische Gericht entschieden hat, dass Blossom nicht zurückkehren muss, mit anderen Worten, wenn das Gericht einen der oben aufgeführten Ablehnungsgründe angewandt hat. Die nächste Phase ist von dem Grund für die Ablehnung der Rückgabe abhängig. Es gibt zwei Kategorien von Entscheidungen betreffend die Ablehnung der Rückgabe:

Entscheidungen der Kategorie 1 betreffend die Ablehnung der Rückgabe
(Artikel 12 und 20 Haager Kindesentführungsübereinkommen)
Entscheidungen der Kategorie 2 betreffend die Ablehnung der Rückgabe
(Artikel 13 Haager
Kindesentführungsübereinkommen)
    1.
  • Die Entführung des Kindes liegt mehr als ein Jahr zurück, und das Kind hat sich in seiner neuen Umgebung eingelebt (Artikel 12).
  • 5.
  • Das Recht des ersuchten Staates lässt die Rückgabe nicht zu, da sie seinen Grundwerten widersprechen würde (Artikel 20).
    2.
  • Die die Rückgabe beantragende Person hat ihr Sorgerecht zur Zeit des Verbringens oder Zurückhaltens tatsächlich nicht ausgeübt oder hat dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt.
  • 3.
  • Die Rückgabe des Kindes wäre mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden oder würde es auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringen, und der Mitgliedstaat, in den die Rückgabe des Kindes erfolgen soll, hat keine angemessenen Maßnahmen zum Schutz des Kindes getroffen.
  • 4.
  • Das Kind widersetzt sich der Rückgabe, und in Anbetracht seines Alters und seiner Reife erscheint es angebracht, seine Meinung zu berücksichtigen.

Bei Entscheidungen der Kategorie 1 ist der Entführungsfall beendet, und das Kind erlangt einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat, in den es verbracht oder in dem es zurückgehalten wurde. Im Falle weiterer Streitigkeiten in Bezug auf die elterliche Verantwortung für das Kind sind die Gerichte dieses Staates anzurufen, obgleich gemäß einer der anderen Bestimmungen der Brüssel IIa-Verordnung ein Gericht in einem anderen Mitgliedstaat zuständig sein könnte (siehe e-Learning-Kurs, Themenbereich 1, Teil 1).

Bei Entscheidungen der Kategorie 2 ist der Rechtsstreit noch nicht beendet: Es gibt eine zusätzliche Phase. Die Schritte sind:


Schritt 1:

Das Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, die Rückgabe abzulehnen, setzt das zuständige Gericht oder die Zentrale Behörde des Staates, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, hierüber in Kenntnis. Das zuerst genannte Gericht kann die Informationen direkt oder aber über die Zentrale Behörde seines Staates übermitteln. In unserem Beispiel: Das spanische Gericht übermittelt die Informationen entweder direkt oder aber über die spanische Zentrale Behörde an das niederländische Gericht oder an die niederländische Zentrale Behörde. Die Informationen umfassen eine Niederschrift der Anhörung und müssen binnen einem Monat ab dem Datum der Entscheidung vorgelegt werden.


Schritt 2:

Das Gericht in dem Staat, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, unterrichtet die Parteien und lädt sie ein, entsprechende Anträge einzureichen, damit das Gericht die Frage des Sorgerechts prüfen kann. Die Anträge sind binnen drei Monaten einzureichen. Auf diese Weise übernimmt das niederländische Gericht die Zuständigkeit, die ihm aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts von Blossom zukommt. Diese Zuständigkeit hat es infolge des widerrechtlichen Zurückhaltens von Blossom in Spanien nicht verloren.


Schritt 3a):

Gehen bei dem Gericht keinerlei Anträge ein, schließt es den Fall ab.


Schritt 3b):

Gehen bei dem Gericht Anträge ein, erlässt es eine Entscheidung in der Sache.


Schritt 4a):

Führt die Entscheidung des niederländischen Gerichts dazu, dass Blossom in Spanien bleiben muss, wird Spanien ihr neuer gewöhnlicher Aufenthalt.


Schritt 4b):

Führt die Entscheidung des niederländischen Gerichts dazu, dass Blossom in die Niederlande zurückkehren muss, hat diese Entscheidung Vorrang vor der spanischen Entscheidung, die Rückgabe abzulehnen.


Schritt 5:

Das niederländische Gericht stellt eine Bescheinigung über die Entscheidung betreffend die Rückgabe von Blossom aus. Diese Bescheinigung entspricht dem Muster in Anhang IV der Brüssel IIa-Verordnung. Das Gericht stellt die Bescheinigung von Amts wegen aus. Die Bescheinigung wird in der Sprache der Entscheidung ausgestellt. Die Entscheidung muss bestimmte Anforderungen erfüllen, damit die Bescheinigung ausgestellt werden kann.

Voraussetzungen für die Bescheinigung:
  • Das Kind hatte die Möglichkeit, gehört zu werden, sofern dies nicht aufgrund seines Alters oder seines Reifegrads unangebracht erscheint.
  • Die Parteien hatten die Möglichkeit, gehört zu werden.
  • Das Gericht hat die Gründe für die Entscheidung, die Rückgabe abzulehnen, berücksichtigt.

* Ergreift das Gericht oder eine andere Behörde Maßnahmen zum Schutz des Kindes nach seiner Rückgabe, enthält die Bescheinigung auch nähere Angaben zu diesen Maßnahmen.

(Artikel 42 Brüssel IIa-Verordnung)


Schritt 6:

Mit dieser Bescheinigung ist ein Verfahren zur Vollstreckbarerklärung nicht erforderlich (das Exequaturverfahren wurde abgeschafft). Dies bedeutet, dass die niederländische Entscheidung in Spanien und in der gesamten EU, ungeachtet der vorhergegangenen spanischen Entscheidung, die Rückgabe abzulehnen, unmittelbar vollstreckbar ist. Der Europäische Gerichtshof hat diese Wirkung der Bescheinigung bestätigt. Auch wenn die Bescheinigung einen Fehler enthält, bleibt die Entscheidung unmittelbar vollstreckbar. Will eine der Parteien den Inhalt der Bescheinigung anfechten, hat sie sich an das Gericht zu wenden, das die Bescheinigung ausgestellt hat (siehe C-491/10, Aguirre Zarraga gegen Pelz).

(Art. 11(6) – 11(8), 40 and 42 Brussels IIbis Regulation)